Semiotik / Semiotics. 3. Teilband

Bok av Roland Posner
Jeder Mensch benutzt Zeichen und ist an Zeichenprozessen beteiligt. Jede Gesellschaft hat Vorstellungen daruber entwickelt, wie die Zeichen den Menschen helfen, sich in ihrer Umwelt zu orientieren und miteinander umzugehen. Jede Sprache enthalt ein umfangreiches Vokabular an Wortern fur Spuren, Indizien, Symptome; Ausdrucke, Auerungen, Hinweise; Symbole, Interpretationen, Modelle; Mitteilung, Interaktion, Kommunikation. Die etablierten Wissenschaften haben diese verschiedenen Zeichentypen lange als getrennte Erscheinungen betrachtet und sich geweigert, in ihnen ein einheitliches Phanomen zu sehen, das sich theoretisch erfassen lasst. Die Geistes- und Sozialwissenschaften haben die Zeichen in Sprache, Literatur, Kunst, Musik, Recht und Religion unabhangig voneinander thematisiert und sich so ihre Gemeinsamkeiten entgehen lassen. Die Ingenieurs- und Naturwissenschaften haben sich einer mechanistischen Konzeption der Natur und des Lebens verschrieben und damit die industriellen und postindustriellen Gesellschaften in Probleme gefuhrt, aus denen sie mit den bisher angebotenen Mitteln nicht mehr herausfinden. Wer die Zeichenprozesse in all ihren Varianten als einheitliches Phanomen begreift, dessen Auftreten die belebte Natur und die Kulturen der Menschen miteinander verbindet und von der unbelebten Natur unterscheidet, der hat den Schlussel in der Hand, um den Geistes-, Sozial-, Ingenieurs- und Naturwissenschaften eine gemeinsame theoretische Basis fur wohldefinierte arbeitsteilige Kooperation zu liefern. Wer das Verhalten der Menschen in ihren Kulturen unter dem Gesichtspunkt seiner Zeichenhaftigkeit zu betrachten gelernt hat, der kann auch das Leben in Familie und Beruf, Wirtschaft und Verwaltung, Kunst und Religion begrifflich als Einheit erfassen und so in seiner disziplinubergreifenden Vielfalt erforschen. Die Semiotik hat sich dies zur Aufgabe gemacht. Nach wichtigen Anfangen in Antike und Mittelalter hat sie in der Zeit der Aufklarung ihren Durchbruch zur Wissenschaft geschafft und verfugt seit einem Jahrhundert uber eine Reihe leistungsfahiger begrifflicher Grundlegungen, die in den letzten Jahrzehnten zu formalen Theoriefragmenten ausgebaut wurden. Wegen der groen Bedeutung der Semiotik fur die Reorganisation der Wissenschaften und fur die aufeinander bezogene Analyse von Natur und Kultur sind die Forderungen nach einer umfassenden Darstellung der Geschichte und Systematik immer dringlicher geworden. Das Handbuch Semiotik bietet in seinen vier Banden mit 178 Artikeln, die von 175 Autoren aus 25 Landern verfat und in 16 Kapiteln gegliedert sind, sowohl den gegenwartigen Forschungsstand der allgemeinen, deskriptiven und angewandten Semiotik als auch einen umfassenden Uberblick uber die Entwicklung der Zeichenkonzeptionen in Philosophie, Asthetik, Logik, Mathematik, Grammatik, Stilistik, Poetik, Musik, Architektur, bildender Kunst, Medizin, Physik, Chemie, Biologie, Psychologie, Soziologie, Okonomie, Religion und Alltagsleben. Abteilung A (Kapitel I bis IV) liefert in 31 Artikeln einen theoretisch durchstrukturierten Aufriss des gesamten Gebiets der Semiotik.Abteilung B (Kapitel V bis XI) erganzt in 68 Artikeln die in A gegebene systematische Prasentation der Semiotik als Wissenschaft durch eine in dieser Form erstmalige Darstellung des impliziten semiotischen Denkens der wichtigsten Kulturen der Welt und der aufeinander folgenden Epochen des Abendlands.Abteilung C (Kapitel XII) gibt in 23 Artikeln die Vielfalt der heute virulenten Stromungen der Semiotik wieder.Abteilung D (Kapitel XIII und XIV) untersucht in 36 Artikeln die Moglichkeiten einer systematischen Rekonstruktion der zeichenbezogenen Universitatsdisziplinen und interdisziplinaren Wissenschaften auf semiotischer Basis.Abteilung E (Kapitel XV) geht in 18 Artikeln auf a...