Giftmordwissen und Giftmorderinnen : Eine diskursgeschichtliche Studie

Bok av Inge Weiler
Obwohl es spatestens am Ende des 19. Jahrhunderts statistisch bewiesen war, da sich Manner und Frauen gleichermaen des Giftes als Mordmittel bedienen, war man sich in Wissenschaft, Literatur und Publizistik bis weit ins 20. Jahrhundert hinein daruber einig, da der Giftmord als eine 'Domane des Weibes' anzusehen sei. Die Grundlage dieses Giftmord-Stereotyps bilden Vorstellungen vom 'Wesen des Weibes' bzw. der Psychologie der Frau: auf Grund ihrer korperlichen und seelischen Schwache (Mangel an Mut und Kraft) sowie ihrer Nahe zur Geschlechtlichkeit (Vergiften als 'wollustiger Kitzel') greife die Frau quasi naturgema zum heimtuckischen Gift. Einen entscheidenden Anteil an der Formation des Giftmord-Stereotyps hatte zudem die Pitavaltradition, die diese Vorstellungen mit literarischen Verbrecherbildern (groe und gemeine Verbrecherinnen) verquickte und deren Falldarstellungen (z.B. Brinvillier, Zwanziger, Ursinus und Gottfried) von Fachwissenschaften und Publizistik stets als Beispiele fur 'typisch weibliche Giftmischerinnen' herangezogen wurden. Hierbei sorgten die Fachwissenschaften durch neue wissenschaftliche Erklarungsmuster fur eine bestandige Aktualisierung des Stereotyps. Insgesamt konnte in der vorliegenden diskurstheoretisch und interdisziplinar orientierten Studie anhand der Auseinandersetzung mit Pitavalgeschichten, Prozeberichten, wissenschaftlichen Texten usw. zu Giftmordfallen verschiedener historischer Zeitraume gezeigt werden, da das tradierte Giftmordwissen in einem bestandigen Austausch- und Verweiszusammenhang zwischen Fachwissenschaft, 'schoner Literatur', Publizistik und Alltagswissen formiert, legitimiert und fortgeschrieben wurde.