Narzitische Krisen : Zur Psychodynamik des Selbstmords

Bok av Heinz Henseler
Taglich nehmen sich etwa 1000 Menschen das Leben, d. h., alle 90 Sekunden stirbt ein Mensch von eigener Hand. In der Bundesrepublik Deutschland liegt die Zahl der Selbstmorder mit 13000 pro Jahr nur um ein Drittel niedriger als die der Verkehrstoten mit 18000 pro Jahr, was bedeutet, da sich in der BRD alle 41 Minuten ein Mensch umbringt. Besonders betroffen von diesem Problem sind die Grostadte. Je groer die Stadt, desto hoher die Selbstmordrate. Berlin halt den makabren Rekord, die Stadt mit der hoch- sten Selbstmordrate der Welt zu sein. Um ein Vielfaches hoher als die Zahl der Selbstmorde ist die Zahl der Selbstmordversuche. Wegen der hohen Dunkelziffer lat sie sich nicht genau erfassen; doch geht man nicht fehl, wenn man sie auf das Zehnfache der gelungenen Selbstmorde ansetzt. Alle vier Minuten also versucht in der BRD jemand, sich zu toten, und diese Zahl steigt standig. Weder der Medizinstudent noch der angehende Psychologe, Seelsorger, Padagoge, Sozialarbeiter oder Polizist erfahren in ihrem Ausbildungsgang wesentlich mehr uber den Selbstmord, als da es ihn gibt und da man ihn zu furchten habe. Dabei gehort der Umgang mit Suizidgefahrdeten zu den haufigsten Problemen ihrer Praxis. Die Folgen sind angstliche Rigiditat oder fahrlassiger Optimismus, unkritische Beratungs-oder Behandlungsversu- che, von denen nicht auszuschlieen ist, da sie die Situation des Suizidge- fahrdeten noch verscharfen. Die Folgen sind weiterhin ein Aufbluhen von Meinungen, Vermutungen, Vorurteilen und Geruchten, die nicht selten in magisch-animistischen Vorstellungen wurzeln.