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Medizin, Krieg und Gesellschaft: Deutschland 1914-1924
Bok av Wolfgang U. Eckart
Wolfgang U. Eckart, einer der prominentesten Medizinhistoriker in Deutschland, wendet sich in seinem neuen Buch einem erstaunlicherweise bislang wenig behandelten, aber um so interessanteren Thema zu, der Rolle der deutschen Medizin in einer entscheidenden Epoche der deutschen Geschichte: im Ersten Weltkrieg. Er schließt damit an sein Standardwerk »Medizin und Kolonialimperialismus: Deutschland 1884-1945« an.Eckart schreibt mehr als eine Ereignis- und Erfolgs- oder Mißerfolgsgeschichte. Seine fesselnde Darstellung stellt die Medizin vielmehr in die gesellschaftlichen und politischen, die militärischen und zivilen Zusammenhänge, in denen sie als wissenschaftliche Disziplin und als praktische Profession während des Krieges an der Front und in der Heimat, in Laboren und Lazaretten agierte. Diese Einbettung ist um so wichtiger, als der Erste Weltkrieg wie kein anderes außerwissenschaftliches Ereignis die Medizin des 20. Jahrhunderts jahrzehntelang beeinflusst hat und weil die in ihm gemachten Erfahrungen die spätere Geschichte der Medizin im Nationalsozialismus mit vorgeprägt haben.Dias Buch baut auf einem reichen Material von gedruckten und ungedruckten Quellen auf. In einer Mischung aus chronologischer und problemorientierter Darstellung werden zunächst Vorfeld und Beginn des Krieges verfolgt: die vorbereitende Debatte im ärztlichen Diskurs vor 1914, der Kriegsausbruch in der ärztlichen Wahrnehmung zwischen Begeisterung, Erfolgserwartung und pazifistischer Skepsis. Sodann wird der bedrückende weitere Verlauf des Krieges geschildert, u. a. seine Auswirkungen in der Heimat, die wachsenden Probleme der Ernährungsversorgung inkl. der Nahrungsmittelforschung und der Entwicklung von Ersatznahrung, Hunger und Hungerrevolten, Alkoholismus und andere Suchtprobleme und Einsatz und Probleme der Sanitätsdienste an Front und "Heimatfront". Wie die Medizin das Ende des Krieges wahrnahm, wird im Spiegel der Reflexionen der medizinischen Fachpresse verdeutlicht.. Abschließende Kapitel behandeln die katastrophale Grippewelle des Spätsommers 1918 und die unmittelbaren Folgen des Krieges: die Krüppel-, Versehrten- und Rentenproblematik der Nachkriegszeit und die sozialideologische und politische Aufarbeitung des Krieges in medizinischer Perspektive. Boykott und Selbstisolierung der medizinischen Wissenschaft nach 1918 und ihre Neuorientierung im Rahmen der auswärtigen Kulturpolitik (am Beispiel der deutsch-sowjetischen Beziehungen) zwischen 1918 und 1933 werden schließlich als mittelbare Folgen des Ersten Weltkriegs umrissen.