Strom fur die Republik : Die Stasi und das Kernkraftwerk Greifswald

Bok av Sebastian Stude
Mit seiner Fertigstellung sollte das Kernkraftwerk Greifswald fast ein Viertel des ostdeutschen Stroms produzieren. Ende der 1960er-Jahre begonnen, ist der nukleare Komplex aber niemals fertiggestellt worden, sodass die Staatssicherheit hier zweierlei zu uberwachen hatte: ein Kernkraftwerk und eine Grossbaustelle. Mit zuletzt 24 hauptamtlichen und mehr als 200 inoffiziellen Mitarbeitern versuchte die Stasi den grossten Nuklearbetrieb der DDR mit mehreren Tausend Arbeitern und Angestellten und immenser politischer und wirtschaftlicher Bedeutung unter Kontrolle zu halten. In ihrer politischen Aufgabenstellung, der militarischen Struktur und der geheimpolizeilichen Arbeit war die Objektdienststelle der Staatssicherheit im Kernkraftwerk ein Spiegelbild der SED-Geheimpolizei insgesamt. Ihre Tatigkeit auf wirtschaftlichem Gebiet blieb auffallig blass, ihre politischen Erfolge zweifelhaft. In Einzelfallen erfolgreich im Sinne ihres Auftrags war die Stasi bei der Uberwachung und Verfolgung von missliebigen Arbeitern, Angestellten und Ausreiseantragstellern. Dafur legte sie politische Massstabe an, die den wirtschaftlichen Interessen des Kernkraftwerkes zuwiderlaufen konnten. Als zweifelhafte Leistung kann die Staatssicherheit fur sich in Anspruch nehmen, an der Vertuschung des nuklearen Risikos gegenuber der DDR-Bevolkerung beteiligt gewesen zu sein.