Seismographische Funktion von Offentlichkeit im Wandel

Bok av Heinz Bonfadelli
Medien zwischen Seismographie- und Fruhwarnfunktionen Einleitung Heinz Bonfadelli Den Medien und der medienvermittelten Offentlichkeit werden in der theoretischen Lite- tur, aber auch im offentlichen Diskurs vielfaltige und oft normativ bestimmte Erwartungen und Leistungen zugeschrieben. Neben Information und Orientierung, aber auch politischer Meinungsbildung und gesellschaftlicher Integration ist nicht zuletzt immer wieder von der seismographischen Rolle und von der Fruhwarnfunktion von Offentlichkeit und Medien die Rede. Unter der seismographischen Qualitat der offentlichen Kommunikation werden zumeist ganz unterschiedliche Dinge subsumiert, wobei das Konzept definitorisch oft nicht allzu trennscharf verstanden und kaum in einen weiteren theoretischen Kontext eingebunden wird. Prozessorientiert und in einer Zeitperspektive wird damit meist der Sachverhalt angesp- chen, dass Medien im Sinne einer Fruhwarnfunktion auf gesellschaftliche Probleme zuh- den von Offentlichkeit und Politik hinweisen bzw. Entwicklungen thematisieren, mit denen sich die Gesellschaft zukunftsorientiert befassen sollte. Erwartet wird von den Medien po- tiv ein Beitrag zur besseren Steuerung und zur zukunftsorientierten Problembewaltigung. Negativ oder als Defizit der Medien moniert wird zugleich immer wieder, dass die Medien nicht aktiv genug agierten, sondern auf gesellschaftliche Veranderungen meist nur reagieren wurden oder - kritischer formuliert - von sozialen Problemen oder gar Missst- den ablenkten und im Dienste der herrschenden Eliten diese tendenziell sogar verschweigen oder gar unterdrucken wurden. So verstanden bezieht sich Seismographie eingeschrankt nur auf eine mehr oder weniger passiv verstandene Beobachterrolle von Medien und Offe- lichkeit im Sinne der mehr oder weniger verzerrten Spiegelung von Ereignissen und E- wicklungen, welche in der Gesellschaft als sog. primare Realitat geschehen.