Ausgewiesene Experten : Kunstfeindschaft in Der Literaturtheorie Des 20. Jahrhunderts

Bok av Ulrich Horstmann
Wenn der Kanon von der Beliebigkeit der Texte abgeloest wird, theoretische Texte einen hoeheren Stellenwert als literarische haben, wenn kein Kanon mehr gelesen werden muss, so verzeichnet nicht nur der Student hier zuallererst einen Freizeitbonus - er muss weniger lesen; und wenn er die zentralen theoretischen Texte kennt, naturlich nicht alle, sondern nur die der Schule, der er sich anschliesst, dann reicht das fur jede Diskussion. Genau diese Situation an deutschen Hochschulen greift Ulrich Horstmann mit seiner Kritik am Hegemonialstatus amerikanischer Theorieproduktion auf, die keine Grundsatzdiskussionen mehr moeglich macht, kritikimmun einen eigenen Jargon wie eine Fremdsprache pflegt und nur noch in Theoriezirkeln unterwegs ist. Die Experten "fur hochtourenden Leerlauf und geisttoetende Sterilitat", die die Macht ergriffen haben und die zugleich von Kunst und Literatur nichts mehr wissen wollen, sondern die theoretischen Werke zum Mass aller Dinge erhoben haben, diese "ausgewiesenen Experten" entlarvt der Autor mit viel Witz und erinnert an die Grundtugenden der Skepsis und des Staunens. Die 'Fuhrerpersoenlichkeiten' der Theorie (Derrida, Bloom, de Man, Greenblatt etc.) werden vorgefuhrt und in der Analyse dieser "totalitaren Diskurse" gezeigt, was das bekannte mulmige Gefuhl bei der Lekture vieler theoretischer Texte ausloest. Interessante Gegenbeispiele prasentiert Horstmann in seinen Fallstudien jener englischsprachigen Wissenschaftler und Autoren, die auf unterschiedliche Weise versucht haben, Literatur und Theorie zu verbinden: David Lodge, Terry Eagleton, Malcolm Bradbury. Einzig George Steiner mit seiner "Ein-Mann-Kampagne wider den theoretischen Absolutismus" findet Gnade, denn dessen Konzepte stellen eine sinnvolle Alternative zu den herrschenden Theoriedebatten dar. Horstmann nimmt in dieser originellen Streitschrift uber das Trauerspiel Theoriedebatte kein Blatt vor den Mund und sieht sich hier in der Tradition der "Gentle Art of Making Enemies".