Einfuhrung in Die Entwicklungsphysiologie Des Kindes

Fiir den jungen Medizinstudenten bedeutet es eine der groBten Uberraschun- gen, daB es auch in der Lehre yom Ablauf der Lebensvorgange - der Physiologie - Zahlen und Gesetze gibt, die er bisher in ihrer strikten Giiltigkeit nur aus der Mathematik, Physik und Chemie kannte. Er gewahrt dies bald mit Erstaunen, bald mit Befremden, um sich nur wenig spater in jubelndem Enthusiasmus tiber die schone Einheit des Kosmos wiederzufinden. Der angehende Arzt kann ein ahnliches Erlebnis haben, wenn er zum ersten Mal einen Horsaal der Padiatrie betritt. Hier sieht und erlebt er, wie sich die eben akzeptierten MaBe, Zahlen und Gesetze im werdenden Menschen stetig verandern, miteinander verflechten und schlieBlich zu dem Bild ftihren, das er selbst als Erwachsener darstellt. Er sieht weiter bewundernd, wie der korperlichen Entwicklung parallel gehend allmahlich aus dem dumpfen Dammern des Neugeborenen-Wesens die Person erwacht, wie Kampfe entstehen zwischen ihr und der Umwelt, und wie schlieBlich diese Person der ahnlich wird, die er selbst ist. Er blickt in eine sinn volle Entwicklung und erkennt, "Wie Himmelskrafte auf- und niedersteigen U nd sich die goldenen Eimer reichen". Fiir diese jungen Kollegen ist dieses Buch der Entwicklungsphysiologie des Kindes in erster Linie gedacht und geschrieben. Seit ich in meiner Habilitations- schrift tiber das Verhalten des diastatischen Fermentes des Blutes im Kindesalter das damals noch kaum gebrauchte Wort von der Entwicklungsphysiologie des Menschen vorbrachte, sind 25 Jahre vergangen. Mauern und Dach der Padiatrie sind schon ziemlich wetterfest gebaut.