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'Die Rede der Seele über den Körper' - Das commercium corporis et animae bei Heinrich von Kleist : Das 'commercium corporis et animae' bei Heinrich von Kleist
Bok av Gudrun Debriacher
Anthropologie, so die allgemeine Definition, ist die Wissenschaft vom Menschen, die sich im Zeitalter der Aufklärung nicht mehr länger auf Spekulationen stützt, sondern sich eindeutig zu empirischen Methoden bekennt. Im Zentrum der neuen Wissenschaft steht nunmehr der ganze Mensch, als Einheit von Leib und Seele, dessen Erforschung zum konzentrierten Programm der Anthropologie des 18. und frühen 19. Jahrhunderts wurde. Dabei definiert sich die aufklärerische Anthropologie mit einem Problem, das von René Descartes aufgeworfen wurde, dem "commercium mentis et corpori"s, dem Zusammenspiel von Geist und Körper. Was Leib und Seele zusammenhält, ist die Frage der Anthropologie und auch die Ausgangsfrage der Untersuchung. Die Erschließung neuer Erkenntnisquellen führte innerhalb der Spätaufklärung dazu, dass die Leiblichkeit des Menschen sowohl in Bezug auf seine geistig-seelische Bestimmung als auch auf seine körperlichen Bedingtheiten analysiert und bewertet wurde. Thematisiert wurde nunmehr der Mensch als psychophysisches Wesen. Auch Heinrich von Kleist, der innerhalb der Literaturforschung meist als singuläre Figur gesehen wird und kaum vor dem diskursiven Hintergrund der Goethezeit, verfolgte das konzentrierte wissenschaftliche und philosophische Programm seiner Zeit. Anhand eines Rekonstruktionsversuchs ausgewählter repräsentativer Texte, die in einem möglichst breiten argumentativen und kontextuellen Rahmen behandelt werden, wird mit der Weiterverfolgung der anthropologischen Debatte bis zu Heinrich von Kleist das umfangreiche Kontinuum der Anthropologie der Spätaufklärung überblickt und zugleich ein Ausblick auf die Transformation an ihrem Ende dargestellt. Heinrich von Kleist steht damit klar in der Tradition der seelenkundlichen Anthropologie des 18. Jahrhunderts, wenngleich unter den Auspizien seiner je eigenen Seelenmodelle. Durch das Verankern des Kleistschen Schaffens im Sinne klassischer Diskursgeschichte in ihrem Kontext, wird die Lücke zwischen der Anthropologieforschung zum 18. Jahrhundert und jener zur Zeit um 1900 geschlossen. Es offenbart sich in diesem Buch ein Mikrokosmos, der den Makrokosmos der Anthropologie der deutschen Spätaufklärung, mit all seinen übergreifenden ideengeschichtlichen Tendenzen, deutlich werden lässt.