Ganz normale Kinder : Heterogenität und Standardisierung kindlicher Entwicklung

Bok av Helga Kelle
In den letzten Jahrzehnten haben Entwicklungsbeeinträchtigungen im Kindesalter stark zugenommen, die Diagnosen wurden diversifiziert und die Befundzahlen für Störungsbilder sind gestiegen. Kinder werden auf diese Weise immer häufiger als zu fördernde oder gefährdete Menschen wahrgenommen. Doch wie wird Normalität und Abweichung kindlicher Entwicklung im Kontext von Familienerziehung, Schule, Kindervorsorgeuntersuchungen, Gesundheitsberichterstattung sowie politischen, medizinischen, psychologischen und pädagogischen Fachdiskursen hervorgebracht? Die Autoren untersuchen in diskurs- und praxisanalytischen Studien und historischen Analysen, wie Diagnosen zustande kommen, auf welche Normen sie sich beziehen und welche praktischen Notwendigkeiten daraus abgeleitet werden. Der Band widmet sich der Genese von Entwicklungsnormen, den Herstellungsweisen der Diagnosen von Abweichungen und den Verfahrensweisen institutionell gebundener Präventions-, Förder- und Selektionsmaßnahmen. Er verfolgt die These, dass sich nicht die Kinder (allein), sondern die entwicklungsbezogenen Evaluations- und Diagnoseinstrumente, das Bild des Kindes und die institutionellen Arrangements, die Kindern und Eltern zur Verfügung gestellt werden, gewandelt haben. InhaltHelga Kelle und Anja TervoorenKindliche Entwicklung zwischen Heterogenität und Standardisierung - eine EinleitungI. Das Konstrukt einer "normalen Entwicklung" und seine VoraussetzungenAndré TurmelDas normale Kind: Zwischen Kategorisierung, Statistik und EntwicklungAnja Tervooren"Auswickeln", Entwickeln und Vergleichen: Kinder unter BeobachtungJürgen LinkZum diskursanalytischen Konzept des flexiblen Normalismus. Mit einem Blick auf die kindliche Entwicklung am Beispiel der Vorsorgeuntersuchungen.II. Erziehung und Normalisierung. Historische PerspektivenElisabeth von StechowZur Geschichte der Idee eines "normalen Verhaltens"Annette Miriam StroßDer Schularzt - Funktionalität und Normierungstendenzen eines neuen Berufsfeldes im 19. JahrhundertIII. Entwicklungsrisiken und -störungen. Diskursanalytische PerspektivenSabine RehVom "deficit of moral control" zum "attention deficit". Über die Geschichte der Konstruktion des unaufmerksamen KindesDoris Bühler-NiederbergerLegasthenie - Realität und Realisierung eines KrankheitsbildesJohanna MierendorffArmut als Entwicklungsrisiko? Der politische KinderarmutsdiskursJeni Harden und Kathryn Backett-MilburnRisiko und Vertrauen in Familien als Konstruktions- und AushandlungsprozessIV. Entwicklungsbeobachtung in der Praxis. Institutionen- und kulturanalytische PerspektivenHelga Kelle"Normale" kindliche Entwicklung als kulturelles und gesundheitspolitisches ProjektSabine Bollig und Marion OttEntwicklung auf dem Prüfstand: zum praktischen Management von Normalität in KindervorsorgeuntersuchungenAutorinnen und Autoren