Gedanken zur reinen Gottesliebe
Bok
Fenelon: Psychologe des spirituellen Lebens. Die vorliegende Auswahl und Ubersetzung des Dichters Matthias Claudius vermittelt seinem Publikum um und nach 1800 die Texte eines intimen Kenners der Abgrunde und Verirrungen der menschlichen Seele. Die Textauswahl reprasentiert eine uberkonfessionelle Frommigkeitskultur, die sich auf die erste Theologie der Bibel und der fruhen Kirchenvater stutzt. Fenelon (1651?1715) hat in seinen religiosen Schriften und Briefen versucht, die neuen Wege der Mystik mit dem kirchlichen Auftrag zur vollstandigen Bekehrung des Herzens zu verbinden. Es geht ihm darum, dass mystische Gebet als Ubergang von der Meditation zur Kontemplation, d.h. als stufenweisen Aufstieg von der interessierten zur desinteressierten Liebe, mit den Regeln der Moral und den Dogmen der Kirche vereinbar zu machen. In seinem Werk durchdringen sich platonische und quietistische Stromungen mit Elementen der christlichen Gnosis und des Cartesianismus. In den spirituellen Briefen erreicht Fenelon eine Unmittelbarkeit der Mitteilung und eine stilistische Meisterschaft, die auf das Zeitalter Rousseaus und auf die religiosen Erweckungsbewegungen der folgenden Jahrhunderte nachwirken. Fenelon wird neben Jakob Bohme zu einer wichtigen Referenz der neuen religiosen Vibrationen nach dem Pantheismus- und Atheismusstreit. Herder, Jacobi und Clemens von Brentano haben in hochsten Tonen von Fenelon gesprochen. Die reine Liebe ist das Echo des Menschen auf die unendliche Liebe Gottes, eine permanente Einubung, eine desinteressierte Zuwendung zu Gott, eine stufenweise Reinigung von der Befangenheit in Eigeninteressen. Im Zentrum stehen nicht das Gluck, nicht einmal das Heil des Individuums, sondern die Handlungen aus Liebe, zum Ruhm und zur Ehre Gottes. Gott ist souveran und kann mit uns machen, was er will; wir haben keine Rechte gegenuber Gott. Im Eifer der Verteidigung der Liebe der Heiligen geht Fenelon an die Grenzen der Haresie. Bei aller Radikalitat der Askese und der spontanen Gottesliebe schaltet er den kritischen Geist nicht aus, der jene tadelt, die glauben, schon heilig zu sein, nur weil sie sich von der Welt zuruckgezogen haben. "e;Man will wohl die Welt vergessen, aber nicht von ihr vergessen sein."e;