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Stadt Im Umbruch : Gotha: Wende Und Wandel in Ostdeutschland
Bok av Ulfert Herlyn
Die zwOlf Monate, die zwischen dem Erstarken der Wende-Bewegung im Herbst 1989 und dem Vereinigungstermin im Oktober 1990 lagen, lassen sich nicht mit normalen ZeitmaBstaben messen. In ihnen erfolgte eine der- artige Beschleunigung und Intensivierung des politischen Lebens, daB die ablaufenden Geschehnisse problem los den Stoff fUr fUnf oder noch mehr, Normaljahre" abgeben konnten. Viele iiber Jahrzehnte hinweg passive Personen machten vollig neue Er- fahrungen kollektiven politischen Handelns und erreichten voriibergehend z. T. eine erstaunliche Fahigkeit. sich auszudriicken und politische Interessen zu formulieren. Ais unverriickbar geltende politische Herrschaftsstrukturen brachen praktisch tiber Nacht vollig in sich zusammen, was die Regimegeg- ner fast allzu schnell in die Verlegenheit sttirzte, sie durch neue Strukturen zu ersetzen. DaB diese neuen Strukturen letztlich yom attraktiven Erfolgs- modell der Bundesrepublik durch Beitritt tibemommen wurden, war auf Mehrheitsentscheidung gegriindet. Den im Vergleich hierzu unsicheren und wenig schltissigen Altemativkonzeptionen einer demokratisierten DDR wurde von den Wahlem eine Absage erteilt. Je klarer es im Lauf des Jahres wurde, daB die Entscheidung zugunsten des, Modells BRD" fallen wiirde, desto starker gingen die politischen Basisaktivitaten zuriick und politisches Handeln wurde wieder weitgehend an gewahlte Gremien delegiert. Dieses verhilltnismliBig schnelle Einmiinden in den Alltag reprasentativer Demo- kratien stellt neben der Gewaltfreiheit der Aktionen zur Wende eines der bemerkenswertesten Daten des Wendegeschehens dar. Das rasante Tempo fundamentaler politischer Entscheidungen drangte das Handwerk bedachtiger Folgenabschatzung in den Hintergrund, und der Aussicht auf die Teilnahme am westlichen Konsumniveau wurden manche Bedenken tiber die Zukunft der wirtschaftlichen Grundlagen geopfert.