Fremdes Verstehen : Das Problem des Fremdverstehens vom Standpunkt einer 'metadisziplinären' Kulturanthropologie

Bok av Gernot Saalmann
Der Autor will mit dieser Arbeit hauptsächlich eine genaue Beschreibung des Problems des Fremdverstehens geben, aber auch einen Vorschlag skizzieren, wie die erkenntnistheoretische Diskussion um seine Möglichkeit fruchtbar fortzuführen wäre.Zunächst werden die grundlegenden Begriffe (verstehen, Kultur, fremd) geklärt, was vor allem dazu dient, auf reflexive Weise den eigenen Standpunkt in der weiteren Diskussion zu verdeutlichen. So wird "reflexives Verstehen" als Re-Konstruktion von Sinnkonstruktionen bestimmt, werden die konstruktiven Aspekte von Praxis und Prozess eines anthropologischen Kulturbegriffs betont und wird der Relationsbegriff "fremd" auf drei Ebenen verortet. So zeigt sich, dass für ein Fremdverstehen in einem 1. Schritt die sozialen Konstruktionen "des Fremden" zu de-konstruieren sind, die den Anderen, den es eigentlich zu verstehen gilt, verdecken.Im 2. Schritt sind die kulturellen Konstruktionsprozesse zu rekonstruieren, mit denen der Andere seinem Denken und Handeln (oder sogar: seinem Leben) Sinn gibt. Diese Rekonstruktion ist überhaupt aussichtsreich, weil es immer drei Sinnschichten gibt, die miteinander in Beziehung stehen - die subjektive, die situative und die strukturelle. Es muss nur begründet werden, wie und warum man auch über kulturelle Differenzen hinweg einen mehr oder minder guten Zugang zu allen Dreien finden kann.Da ein "Relativismus" zu drohen scheint, sobald man einen Konstruktivismus vertritt, folgt eine Auseinandersetzung mit den wichtigsten Theorien, in denen skeptizistische oder antirealistische Argumente vorgetragen worden sind (Quine, Semantischer Holismus, Argumentativer Relativismus, Linguistischer Relativismus, Radikaler Konstruktivismus).Nachdem gezeigt werden konnte, dass sie nicht plausibel zu vertreten sind, werden einige andere Ansätze diskutiert, die das erkenntnistheoretische Problem des Verstehens berührt haben (Geertz, Winch, Wittgenstein, Habermas, Dux). Ihre Unzulänglichkeiten weisen auf die Notwendigkeit einer stärker pragmatistischen Orientierung hin. Den viel versprechenden Ausgangspunkt dieses neuen Pragmatismus bildet der Genetische Strukturalismus von Jean Piaget. Er hat damit zwar eine pragmatistische Version des Konstruktivismus vorgelegt, mit der sich auch die Möglichkeit interkulturellen Verstehens begründen lässt, sie müsste aber unbedingt noch durch eine umfangreiche Symboltheorie und eine soziologische Theorie der Praxis ergänzt werden.