Grazia
Bok av Klaus Kruger
Kunst wird seit der Renaissance zum Modell einer elementaren, quasireligiosen Paradoxie, namlich der asthetischen Evidenz des Unbegreiflichen. Seit der Renaissance wird grazia (Anmut, Schnheit, Grazie) im kunsttheoretischen Diskurs zu einem zentralen sthetischen Wertbegriff, nicht jedoch zu einer analytischen, konkreten Beschreibungskategorie. Grazia verweist vielmehr auf das, was sich aufgrund seiner knstlerischen Absolutheit jeder begrifflichen Definition entzieht, jedoch als sthetische Dimension prsent, erkennbar und in seiner Flle erfahrbar ist. Sie bezeichnet damit eine paradoxe Figur: eine deutliche Undeutlichkeit, eine Prgnanz der Verheiung, eine sthetische Evidenz, die die Unfasslichkeit dessen, was in der Kunst offensichtlich ist, immer schon in sich birgt. Sie begegnet uns bei Fra Angelico, Raffael und Tizian, bei Guido Reni, Bernini und vielen anderen Knstlern der frhen Neuzeit. Immer neu tritt dabei der Zusammenhang zutage, der zwischen der sthetischen Erfahrung irdischer Schnheit im Erlebnis der Kunst (grazia) und einem anderen, hierzu vorgngigen Modell besteht, dem der religisen Verheiung himmlischer Gnade und Glckserfllung (gratia). Nicht zuletzt ist dies eine Konstellation, die eine unabsehbare Geltung bis in die sthetischen Theoriebildungen der Moderne und Gegenwart hinein besitzt.