Auditive Einflussgrößen bei der zeitlichen Handlungsplanung im Klavierspiel : Analyse auditiv-sensomotorischer Kopplungen

Bok av Andreas van Hooven
Ende der 1970er Jahre setzten sich Modelle so genannter Innerer Uhren (Schulze 1978) in der Forschung zur musikalischen Psychomotorik gegen die Vorstellung durch, geschulte Musiker orientierten sich maßgeblich an ihrem Gehör (Kristofferson 1977), wenn sie ein konstantes Tempo auf dem Instrument spielen oder einen stetigen Puls mit der Hand schlagen sollten. Indes konnten verschiedene Modelle Innerer Uhren eine Vielzahl gesicherter Phänomene musikalischer Psychomotorik nicht erklären: so den Einfluss selektiver Wahrnehmung auf die Empfindung physikalisch konstanter Phänomene (Zakay 1996), den Einfluss unerwarteter akustischer Rückmeldungen auf ein motorisch ursächliches Handeln (Vos 1992, Finney 1997, Dahl 2001) oder die Schwierigkeit, verschiedene Formen expressiven Timings auf ein stetiges Grundtempo zurückzuführen (Gottschewski 1993, Desain 1992, 1994, Langner 2002). Neuere interdisziplinäre Studien schlussfolgern, dass die kognitiven Grundlagen für das musikalische Zeitgefühl des Menschen eher in einer dynamischen und durch äußeren Einfluss (auditive Rückkopplung) kurzfristig variierbaren Verkettung (Wassenhove 2008) gleich oder ungleich langer neuronaler Entladungen (Neuronale Netze) ohne zentralen Taktgeber zu sehen sind (Buonomano 2005, Karmarkar 2007, Singer 2007). Die hiesige Studie stützt diese jüngsten Befunde der Kognitionsforschung und Neurologie aus musikpsychologischer Sicht, indem sie den Einfluss auditiver Rückkopplung auf die zeitliche Erwartungshaltung von Musikern beim Klavierspiel für Zeitabstände nachweist, die größer als die Entladungsdauern Neuronaler Netze sind. Der MIDI-gestützte Klavierversuch stellt fest, dass auditive Rückkopplung die zeitliche Organisation musikalisch-motorischer Handlungen signifikant beeinflussen und für deren Erfolg notwendig sein kann. Etwa, wenn der für 30 bis 100ms nach dem Tastenanschlag erwartete Klang (Mäki-Patola 2005) vereinzelt um weitere 50 bis 120ms verzögert und anschließende Klänge stumm geschaltet werden. Zugleich bestätigt die Studie Befunde über die so genannte kortikale Integration (Müller 2000, Bangert 2001) verschiedener Sinne, indem akustische Reize (verzögerter Klang) zu signifikanten Reaktionen auf anderer Sinnesebene führen, etwa der zeitlichen Motorik (Tempofehler) wie auch des Positionssinns (Tonhöhenfehler). Modelle mit zentralem Taktgeber sind mit den Ergebnissen dieses Experiments nicht vereinbar.