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Zucker im Tank
Bok av Andreas Zwengel
Das La Cucaracha befand sich in der ehemaligen Dorfmühle. Nur wenige der klobigen Holztische waren besetzt. Auf großen Tafeln wurde Werbung für einen hessischen Abend gemacht: Rippchen mit Handkäse gefüllt und in Apfelwein gekocht. Dazu Sauerkraut, ebenfalls in Apfelwein gekocht, und ein Bembel zum Nachspülen. Felix würgte trocken. Ein Mann kam hinter der Theke hervor und grinste. "Hey, Felix, wie geht es dir?""Antonio, ich möchte dir einen alten Freund von mir vorstellen, Tibor Hendricks. Er ist gerade zu Besuch. Tibor, das ist Antonio, es ist sein Laden."Sie tauschten einen freundlichen Händedruck und Antonio führte sie zu seinem, wie er sagte, besten Tisch. "Was kann ich euch bringen? Der Koch hat gute Laune, ich glaube, seine Burritos sind heute durchaus genießbar.""Wir wagen es."Antonio verschwand kurz in der Küche und tauchte kurz darauf mit zwei Bechern Kaffee auf."Der geht aufs Haus, für unseren neuen Gast."Tibor nahm einen großen Schluck von dem heißen Getränk und seufzte zufrieden. "Hier gefällt's mir.""Ja, ein gemütlicher Laden", stimmte Felix zu. "Antonio war der erste Mensch, der mich nach meiner Scheidung zum Lachen gebracht hat."Tibor verschluckte sich an seinem Kaffee und sah hustend zu Felix, der nicht anders konnte, als über den überraschten Gesichtsausdruck zu lachen."Du warst verheiratet?""Ja, das einzig Abenteuerliche, was man hier unternehmen kann. Und was hast du in der großen weiten Welt getrieben?""Ich bin so eine Art Unternehmensberater geworden und werde immer gerufen, wenn irgendwo die Kacke am Dampfen ist. Das Büro ist in Berlin, aber die meiste Zeit bin ich unterwegs.""Verheiratet?""Nur lockere Beziehungen.""Kinder?""Nein, erwachsene Frauen.""Ich meine ...""Ich weiß, was du meinst", sagte Tibor und grinste. Sein letzter Versuch, mit jemandem zusammenzuleben, war am Gesundheitsbewusstsein seiner Partnerin gescheitert. Sie gestand ihm lediglich eine Zigarette nach den Mahlzeiten und die "Zigarette danach" zu, mit dem Ergebnis, dass er zwanzig Kilo zulegte und sie so viel Sex hatten wie nie zuvor während ihrer Beziehung."Mein Job lässt mir leider keine Zeit für eine Familie. Ich reise von Stadt zu Stadt und lebe in Hotels.""Klingt abwechslungsreich.""Ist aber ziemlich langweilig. Obwohl man recht gut damit verdient. In ein paar Jahren lasse ich mich in den Innendienst versetzen, heirate und baue ein Haus für meine Frau und die Kinder." Tibor sagte das in einem Tonfall, als beschreibe er etwas, das auf keinen Fall für ihn infrage komme. "Und was treibst du so?""Ich bin selbstständiger Unternehmer, die erste Ich-AG in Ginsberg."Tibor wartete einen Moment, ob Felix dies noch genauer ausführte, dann hob er seinen Becher. "Ich glaube, das war vage genug."Sie prosteten sich zu und begannen das vergangene Jahrzehnt aufzuarbeiten. Die Bekannten von früher und was in der Zwischenzeit aus ihnen geworden war. Wer machte was, wer war mit wem verheiratet, geschieden, liiert. Wer hatte Affären, Kinder, Probleme. Wer war weggezogen und wohin. Zwei Mädchen aus ihrem Jahrgang waren vor Jahren bei einem Autounfall gestorben. Ein Junge, mit dem sie die Grundschule besucht hatten, war inzwischen ein hohes Tier in der Politik und der Klassenclown der vierten Klasse arbeitete als Dauerlaberer für einen Sender, der vierundzwanzig Stunden am Tag Ratespiele veranstaltete. Tibor kommentierte die Fakten mit Lachen, ungläubigem Kopfschütteln oder schadenfrohem Grinsen. Die wenigen Krankheits-, Schicksals- und Todesfälle wurden mit betroffenem Schweigen und anteiligem Anstoßen quittiert. Felix redete mit einer Offenheit, die er den meisten anderen Menschen nicht in den höchsten Sphären alkoholisierter Vertrauensseligkeit entgegenbringen würde. Tibor konnte er alles erzählen, ohne fürchten zu